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Hitze, Höhenmeter und ein Hund mit eigenen Plänen - Abenteuer Vogesen

von Iris Höfling

Tipps

Sommer, Sonne, Hitze, Urlaub! Nein, mein Hund Aneto und ich fahren nicht ans Meer und an den Strand, wir wollen wandern. Ich möchte mir endlich den lang gehegten Wunsch einer Vogesenüberschreitung von Nord nach Süd erfüllen. Also reisen wir von der Nordseeküste gen Süden bis nach Sélestat. Die alte Stadt Sélestat, zu Deutsch Schlettstadt, hat, bedingt durch ihre Lage, seit jeher große Bedeutung als Marktplatz. Und sie ist trotz der diversen kriegerischen Auseinandersetzungen, unter denen das Elsass zu leiden hatte, kaum zerstört worden. Es ist ein Genuss, die Fachwerkhäuser, die alten Kirchen und das alte Zeughaus, auf dem Störche brüten, anzuschauen. Gar nicht so einfach, den Stadtrundgang immer auf der Schattenseite zu machen, denn der Asphalt ist heiß für Anetos Pfoten. Und so rasten wir in einem Innenhof zwischen drei Häusern, wo die Sonne nie hinkommt. Mit Crémant d` Alsace, einem Schaumwein für mich und kühlem Wasser für Aneto. 

Wir starten die Tour an der sogenannten Haut-Koenigsbourg. Weil es immer noch heiß ist, 36 Grad im Schatten, hat ein Bus uns hinauf gefahren. Die Burg liegt auf einem Gipfel hoch über der Rheinebene, sie ist weithin sichtbar und bietet dementsprechend eine tolle 360 Grad Ausschau. Kaum sind wir ein paar Minuten auf unserem Wanderweg, schon sind wir allein im schattigen Wald. Jedoch: Bereits nach sieben Kilometern ist Schluss für heute. Diese Hitze bin ich nicht gewohnt. Wir biegen ab zu einem alten Melkerhof, der wunderbar renovierte Zimmer vermietet. Um mit der zum Hof gehörigen Border Collie Hündin zu toben, ist es Aneto nicht zu heiß! Selten habe ich eine solche Ansammlung an alten Gegenständen gesehen: Nachttöpfe aus Porzellan, Küchenutensilien, Steingut und vielfältiges Ackergerät. 

In den folgenden Tagen tauchen wir ein in die auf kleinem Raum sehr unterschiedliche Natur des Hochvogesen-Kammes. Mischwald, auf dessen Boden Farn wächst, rote Felsformationen, Hänge voller reifer Blaubeeren, Almwiesen mit schwarzweißen Glocken-läutenden robusten Vogesenkühen, pink leuchtende, mit blühendem Fingerhut bewachsene Wegränder, moosbewachsene knorrige Buchenwälder in den höheren Lagen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ein Druide Misteln sammelnd mir entgegengekommen wäre. Sehr geheimnisvoll, vor allem an einem nebeligen und regnerischen Tag. 

Und es gibt fast alpine Landschaft, wir klettern über felsige Abschnitte und blicken auf türkisblaue Seen hinunter. Eine Stelle ist sogar Seil-versichert!

Wir wandern über weite Hochflächen und auf Holzplanken über Moorflächen. Und steigen ab durch extrem steile Weinberge. Die kleinen Ortschaften sind etwas heruntergekommen, leiden sie doch unter Schneemangel im Winter und daraus resultierendem Einbruch der Gastzahlen. 

In den Vogesen gibt es mehrere einfache Holzhütten mit Bänken, Tisch und manchmal sogar einem Holzofen, in denen man unangemeldet und kostenfrei nächtigen darf. Klasse! Ich baue mein Zelt nahe einer solchen Hütte auf. Jugendliche haben in der Hütte den Ofen etwas unprofessionell angezündet und es ist sehr verraucht. Aber meine nassen Socken trocknen. In der Nacht hat es nur 7 Grad! Wie gut, dass Aneto als Wärmflasche aushilft! 

Wovor man die Augen in den Vogesen nicht verschließen kann, ist die wechselhafte Geschichte der Gegend. Soldatenfriedhöfe mitten im Wald, weiße Doppelkreuze auf umkämpften Hügeln, Kapellen und Mahnmale erinnern immer wieder an die Zigtausend getöteten Franzosen und Deutsche aus den Jahren 1914 bis 1916. Genau hier verlief die Front im Ersten Weltkrieg. Die heutzutage besonders bei Motorradfahrern beliebte Route des Cretes, die Vogesenkammstraße, wurde ursprünglich als Versorgungsweg der Armee auf der Westseite des Kammes gebaut.

Der höchste Berg der Vogesen, der Grand Ballon, zu Deutsch Großer Belchen, mit seinen 1423 Höhenmetern empfängt uns mit einem richtigen Sturm. Da halten wir uns nicht lange auf und sind froh, in den Windschatten auf der anderen Bergseite zu kommen. Junge Bergjogger machen schnell ein Foto von uns.

Weiter geht es zum Ballon d Alsace, von dem aus man das südliche Ende des Höhenzuges sieht. Der Abstieg nach Belfort führt durch herrlichen Wald mit kleinen Wasserfällen und Vogelsang. Das ist richtiges Waldbaden hier! 

Die knapp zwei Wanderwochen sind für Aneto, den ein Jahr und zehn Monate alten pubertären Rüden und mich eine wichtige Zeit für seine Erziehung. Jeden Morgen streiten wir, was ?hier bleiben? heisst. Gelernt hat Aneto mittels Schleppleine, dass das im Umkreis von 5 bis 10 Metern um mich herum heißt. Er aber ?rundet großzügig auf?, wie eine Freundin es ausdrückt. Auf 100 bis 150 Meter!! Auch wenn er sich immer wieder umschaut und zuverlässig zurückkommt, ist das zu weit! Erst gegen Mittag nähern sich unsere Vorstellungen einander an. 

Brav läuft er rechts oder links von mir, wenn ich es verlange. Aber nach 30 Sekunden meint er, das Kommando sei jetzt mal abgearbeitet. Da fällt mir ein, dass er vor einiger Zeit das Kommando hinten gelernt hat. Das wende ich hier wieder an. Und siehe da: das akzeptiert er gut und läuft entspannt hinter mir her. Selten muss ich mit einem Bein an seinen Rucksack tippen, wenn er vorkommen will. So darf er also manchmal vorlaufen und im Wechsel hinten gehen. Aneto macht viele Sachen richtig gut. Wenn er sich noch besser mäßigen lernt, was die Rennerei betrifft, wenn ich noch eine Weile streng bleibe, kann ich ihm später umso mehr Freiheit lassen.

Zurück geht es mit dem Zug nach Straßburg, wo ich einige Stunden Zeit zum Anschauen dieser besonders schönen Altstadt eingeplant habe. Auch hier wird der Wechsel der Staatszugehörigkeit sichtbar durch zweisprachige Straßennamen und witzige Vermischungen französischer und deutscher Wörter. 

Die Vogesen sind ein einsames Wanderparadies. Tagelang treffen wir kaum Menschen. Nur an den großen Gipfeln und an der Panoramastraße ist Betrieb. Dass man hier je nach Routen- und Tagesplanung durchaus mehr als 1000 Höhenmeter auf- und absteigen kann, hatte ich nicht so gedacht. 

Noch einmal mit Zelt, Isomatte und Schlafsack unterwegs zu sein, freut mich, auch wenn die Schlepperei anstrengend ist. Aneto macht sein Rucksack mit einem Kilo Futter gar nichts aus. Er rennt und rennt und rennt!

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