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Von Mexiko nach Kanada - 4000 Kilometer auf dem Pacific Crest Trail

von Frederico Winckler

Tipps

Nun war es also so weit. Ich, ein 23-jähriger Student aus Münster, machte mich im April 2024 auf eine 
Reise, die zu einem riesigen Abenteuer werden und mich für immer verändern sollte. Schon lange 
träumte ich davon, abseits der Zivilisation, in der Wildnis eine ganz andere Welt kennenzulernen und 
herauszufinden, was für mich im Leben wirklich zählt. Freunde und Familie erklärten mich angesichts 
meiner ambitionierten Pläne für verrückt, konnten meinen Wunsch nach einem großen Abenteuer aber 
dennoch nachvollziehen. Aus dem gewöhnlichen Leben für eine gewisse Zeit auszubrechen, das war 
mein Plan. 

Ein Bus brachte mich, nach meiner Ankunft in der kalifornischen Stadt San Diego, in den Grenzort 
Campo. Hier, direkt an der Mauer, die die Vereinigten Staaten von Mexiko trennt, beginnt der Pacific 
Crest Trail, ein Wanderweg, der sich über 4200 Kilometer durch Wüste, Hochgebirge, Waldgebiete 
durch Kalifornien, Oregon und Washington bis nach Kanada erstreckt.  

Schon in den ersten Tagen lernte ich wunderbare andere Wanderer kennen. Es entstand ein 
Zusammengehörigkeitsgefühl, eine Solidarität, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Man bestärkte 
sich gegenseitig, man war füreinander da. Während der Wanderung sollte ich sehr enge 
Freundschaften mit Menschen aus aller Welt schließen. Was uns verband, war der Wille, diese 
Herausforderung zu meistern und am Ende in Kanada anzukommen. 
Zunächst führte der Weg durch die Wüste Südkaliforniens. Hier galt es, sich die Wasserreserven gut 
einzuteilen. Viele Wasserquellen waren schon versiegt, teils gab es für 40 oder 50 Kilometer keine 
Wasserstellen, teils waren sie so schlammig, dass das Wasser auch nach dem Filtern kaum genießbar 
war. Das Wasser machte den Wanderrucksack unheimlich schwer. Nicht selten war es nötig, mehr als 
fünf Liter Wasser mitzuschleppen, um nicht Gefahr zu laufen, zu dehydrieren. 
An die tägliche Routine gewöhnte ich mich schnell, wobei meine Wanderfreunde und ich die täglich 
zurückzulegende Strecke, nach und nach erhöhten. Wichtig war es, nicht zu früh zu viel zu wollen und 
auch Ruhetage einzuplanen, um die Verletzungsgefahr zu minimieren. Den PCT erlebte ich als 
gnadenlos, was Verletzungen betraf. Es gab unzählige Knöchel- und Knieverletzungen, ausgekugelte 
Schultern, gebrochene Beine und viele andere Gründe, die dazu führten, dass statistisch nur jeder Fünfte die Wanderung auch tatsächlich beendete. Ich sollte, abgesehen von kleineren Verletzungen, 
verschont bleiben, was ich noch immer für ein Wunder halte.  

Nach dem über 1200 Kilometer langen Wüstenabschnitt, führte mich der Weg in das Hochgebirge der 
Sierra Nevada, den wohl schönsten Teil des PCT. Hier warteten ganz andere Herausforderungen auf 
mich, als noch in der Wüste. Wasserknappheit war kein Problem mehr, vielmehr war die Überquerung 
teils reißender Flüsse nicht immer ganz sicher. Viele Höhenmeter und vereiste Abschnitten mussten 
überwunden werden. Ausgerüstet mit Spikes und Eisaxt, war das Vorankommen mühsam. Die 
Essensvorräte mussten in diesem Abschnitt in einem Bärenkanister aufbewahrt werden, der verhindern 
sollte, dass sich die weit verbreiteten Schwarzbären nachts dem Zelt näherten.  

In den Waldgebieten im Norden Kaliforniens wurden Waldbrände zu einer echten Gefahr. Die 
Brandherde mussten stets im Auge behalten werden. Insbesondere das Park-Fire, der viertgrößte 
Waldbrand der Geschichte des Bundesstaats, offenbarte die Auswirkungen, die der Klimawandel auch 
auf den PCT hat. Nachdem ich Kalifornien hinter mir gelassen hatte, durchwanderte ich das wunderschöne Oregon. 
Der Weg war hier etwas flacher, was mich zügiger vorankommen ließ. Tägliche Märsche von über 50 
Kilometern waren hier möglich. 

Die Wanderung war nicht frei von Selbstzweifeln und Überlastungserscheinungen. Es war nicht nur 
eine physische, sondern auch eine mentale Herausforderung. Immer wieder fragte ich mich, ob ich 
dieser Herausforderung tatsächlich gewachsen sei, ob ich die Eintönigkeit der Nahrung nicht leid 
wäre, ob ich nicht irgendwann genug vom Wandern hätte. Aufgeben aber war eigentlich keine Option. 
Solange mich meine Füße tragen würden, wollte ich auch weitermachen. Als ich den Bundesstaat 
Washington erreichte, galt es keine Zeit zu vergeuden, um dem herannahenden Winteranbruch in den 
Kaskaden zuvorzukommen. Und tatsächlich begann es Ende September zu schneien. Washington 
sollte sich als einer der schönsten Abschnitte des PCT herausstellen, was angesichts zunehmenden 
mentalen und physischen Verschleißes die nötige Motivation erzeugte, durchzuhalten. 

Nach etwas mehr als fünf Monaten erreichte ich die kanadische Grenze. Ein unbeschreibliches Gefühl, 
des Stolzes erfüllte mich. Ich war über mich hinausgewachsen und hatte gemeinsam mit zahlreichen 
neu gewonnenen Freunden etwas geschafft, was ich stets in meinem Herzen mit mir herumtragen 
werde. 

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