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Die Slow Motion Reise in Norddeutschland

von Jörg Knorr

Tipps

Ich wollte die Langsamkeit vom Wasser auch auf die Straße übertragen. Da ich ohnehin auf längeren Touren meist allein auf Tour bin, passte die dreirädrige Piaggio Ape Classic genau zu diesem Ansatz. Die Ape fährt maximal Tempo Fünfzig und ist nur für eine Person zugelassen. Perfekt, dachte ich und kaufte das Teil. Der Platz im und auf dem Koffer ist beachtlich. Da passt eine Menge rein. Zum Schlafen ist die Kiste aber zu klein.

2020 war ich fast fünf Wochen am Stück gut 2000 Kilometer auf norddeutschen Straßen und Gewässern unterwegs. Meistens bin ich nur mit einem ungefähren Ziel vor Augen auf der Landstraße zum nächsten Gewässer geknattert und habe mich erst in Wassernähe für einen Spot entschieden. Klar, einige Gegenden habe ich gezielt angefahren, weil ich es mir einfach schön vorgestellt habe, dort paddeln zu gehen. Dazu gehörten z.B. die Schlei, die Wakenitz, Lübeck, Travemünde, das Fischland, Hiddensee, Greifswald, Usedom oder die Peene.

Ob ich mich auf dem Wasser für das Board oder das Kajak entschieden habe hing immer von den Wasserbedingungen und dem Wetterbericht ab. Auf dem SUP Board ist man windanfälliger und etwas langsamer als mit dem Kajak. Aber man hat eine bessere Sicht auf die Landschaft. 

In der Regel hatten meine Ausflüge mit Boot oder Board den gleichen Start- und Zielpunkt. Manchmal aber auch nicht. Auf Usedom habe ich einen Tagestrip unternommen, bei dem mein Faltrad plus Anhänger wichtige Bestandteile der Reiselogistik waren. Nach einer Nacht auf einem Campingplatz bei Lütow habe ich dort das Rad samt Anhänger stehen lassen und bin mit der Ape nach Koserow zu einem kleinen Hafen gedüst.

Dort habe ich mein SUP-Board aufgeblasen, auf dem ich anschließend mit ganz leichtem Rückenwind über das Usedomer Achterwasser geschippert bin. 

Ein phantastischer Törn bei Idealbedingungen war das. Wieder am Campingplatz angekommen habe ich mein Board auf den Anhänger geschnallt und bin über Land knapp 20 Kilometer zurück nach Koserow gestrampelt. 

Solche Unternehmungen zeigen, dass vieles möglich ist, wenn man es richtig plant. In diesem Fall war die Detailplanung wichtig. Normalerweise nehme ich es allerdings nicht so genau. Ich glaube sogar, dass weniger Planung für mehr Abenteuerpotenzial steht. Oft weiß ich morgens noch gar nicht, wo abends mein Zelt stehen wird. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man so viel erlebt. Wenn die Neugier von Menschen aufeinander trifft, führt das ziemlich sicher zu nicht vorhersehbaren, aber umso interessanteren Begegnungen.

Während meiner Slow Motion Reise war ich mit dem SUP-Board immer nur auf Tagestrips unterwegs. Dieses Jahr sollen aber noch einige längere SUP-Törns folgen. Fahrrad und Anhänger werden dabei auch wieder zum Einsatz kommen.
Immer wieder werde ich gefragt, warum ich mir das alles allein antue. Ich glaube, dass viele Menschen sich fragen sollten, warum sie es nicht tun. Nicht selten sind es nur Vorurteile, die uns davon abhalten, anders und unorganisierter zu reisen. Früher war ich mir nicht sicher, ob allein reisen das Richtige für mich ist. Heute bin ich davon überzeugt, dass solche Solo-Projekte zwar einige Nachteile haben aber deutlich mehr Vorteile: Du kannst machen, was du willst und wann du willst. Eine Entscheidung von jetzt auf gleich zu ändern ? kein Problem. Ich muss niemandem hinterherhecheln und man muss nicht auf mich warten. Ich lerne interessante Menschen kennen. Gerade das funktioniert allein tatsächlich am besten.

Mein Slow Motion-Projekt in Norddeutschland hat vieles bestätigt, dessen ich mir schon vorher bewusst war. Wir neigen dazu, Gastfreundschaft gerade im Ausland als positive Erlebnisse herauszustellen und sollten uns vielleicht einmal mehr fragen, warum derartige Erfahrungen nicht auch zu Hause genauso wahrscheinlich sind. Alles ist eine Frage der Art, wie man reist, wie man Menschen begegnet, Vorurteile beiseite schiebt und Empathie zeigt. Offen und neugierig sein, nicht jeden Tag von Anfang bis Ende durchplanen, Erwartungen nicht zu hoch schrauben und sich genug positives Vertrauen bewahren? Das sind aus meiner Sicht gute Ansätze, um mit positiven Reiseerlebnissen und spannenden Abenteuern belohnt zu werden.

 

 

 

Infos

Jörg Knorr mag es, wenn die Küste langsam an ihm vorbeizieht. Er paddelt seit über 25 Jahren im Kajak. Mit Rund Rügen fing der gebürtige Rostocker 1995 an, sein Fernweh auf dem Wasser zu befriedigen. Knorr ist von Flensburg nach Finnland, von Oslo nach Flensburg, um Vancouver Island, um die Lofoten, um Haida Gwaii (Queen Charlotte Islands), an Neufundlands und Tasmaniens Küste und immer wieder auch an der deutschen Ost- und Nordseeküste gepaddelt.

Seit zehn Jahren ist der 53-jährige auch auf dem SUP Board unterwegs. Oft nur für einen Trainingstörn auf der Flensburger Förde. Dass auf dem Brett auch Mehrtagestouren mit Zelt und Schlafsack möglich sind, stellte der seit 1991 in Flensburg lebende Wassersportler auch schon unter Beweis.

Jörg Knorr hat 28 Jahre als System- und Projektingenieur im Schiffbau gearbeitet. Nach einem Journalistik-Fernstudium und nebenberuflicher Tätigkeit als Reise-Autor kündigte er 2016 seinen Job und wurde freiberuflicher Reisejournalist. Auf die Frage, ob man davon leben kann, antwortet Knorr gern mit einem Augenzwinkern: "Es kommt darauf an, wie man leben will. In meinem Fall funktioniert es ganz gut. Wenn ich vorher nichts auf die Seite gelegt hätte, wäre es allerdings schwierig."

Der Wahlflensburger ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. Und ja, Knorr reist auch gern zusammen mit seiner Frau und Freunden.

SUP-Equipment

Tourenbords zwischen 11 und 13 Fuß Länge sind für Unternehmungen wie im Text beschrieben bestens geeignet. Der Autor benutzte auf seiner Reise ein SUP-Board von INDIANA: 12'6 Touring Inflatable (Länge: 3,81 m, Breite: 79 cm, Volumen: 340 Ltr., Gewicht: 10,4 kg, Infos: indiana-paddlesurf.ch)
Der Fahrradanhänger ist ein reacha Compact 20, der als Handwagen und Fahrradanhänger genutzt werden kann. (Gewicht: 9,8 kg, Maximalbeladung als Handwagen: 60 kg, am Fahrrad: 35 kg, Infos: reacha.de)

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