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Drei Tage im Kajak über die Ostsee - mit Übernachtung im Shelter auf der großen Ochseninsel

von Tilman Wrede

Tipps

Die Beine zittern noch, der linke Fuß erwacht langsam aus seinem Schlaf, weil der Rucksack im vorderen Bootbereich nicht viel Platz lässt. Endlich angekommen und wieder festen Boden unter den Füßen. Ich entferne den Spritzschutz vom Körper und der Blick wandert herab bis zum Boden. Die Regenjacke ist nass von beiden Seiten, das T-Shirt darunter ebenfalls, die Unterhose auch. Der Spritzschutz hat trotzdem geholfen, sonst wäre das ganze Kajak wohl vollgelaufen. Nach zwei Stunden auf der Ostsee bei Sonnenschein ist das Ziel erreicht: Die große Ochseninsel.

"Im Sommer kann das doch jeder", dachte ich mir im Vorfeld meiner Abenteuerplanung. Im Sommer war aber auch nicht die Zeit dazu, das muss ich gestehen. Dann muss es eben im Herbst losgehen, wenn es nicht regnet. Mit dem Kajak raus aufs Wasser und mal schauen, wie weit mich meine Kräfte tragen.

Über die App "Shelter" sind Übernachtungsmöglichkeiten in Dänemark zu finden. Die halboffenen Holzhütten bieten Wanderern und Reisenden die Möglichkeit, eine Nacht in der freien Natur zu verbringen. Die erste Nacht habe ich nicht geplant, sondern spontan entschieden. Auf dem Rückweg wollte ich eine Nacht auf der Ochseninsel verbringen und erkunden, wie man dort hin gelangt und wie der Zustand ist.

Lange Zeit gab es Streit um das Kleinod, das da vor der dänischen Küste liegt. Die Fährverbindung wurde gekappt, zerstrittene Pächter, Vandalismus-Vorfälle und vermüllte Plätze sorgten für Schlagzeilen. Seit einiger Zeit ist etwas Ruhe eingekehrt. Und das ist auf der Insel auch zu merken.

Der Wind stößt die Wellen in gleichmäßigem Abstand gegen das Kajak. Mal von der Seite, mal von vorne und immer wieder verschluckt eine Welle das halbe Boot. Das Boot ist an Land und gesichert, die Rucksäcke, zur Hälfte nass, aus dem Kajak gezogen.

Wie es sich anfühlt unter diesen Bedingungen mit dem Kajak auf dem Meer unterwegs zu sein, musste ich bereits am Vortag erfahren. In Flensburg ging das Abenteuer los und das erste Ziel war ein Shelter kurz vor dem dänischen Brunsnæs. Nach vier Stunden auf dem Wasser erreichte ich völlig erschöpft das Festland. Kurz bevor ich den Shelter erreichte, erreichten drei Männer den Platz. Kaputt und aufgebraucht trat ich ihnen entgegen: "Moin, kann ich heute Nacht bei euch im Shelter mit schlafen?" "Klar. Kann aber sein, dass wir schnarchen."

Die drei Männer, alle Anfang 40, machen jedes Jahr eine Wandertour. Bisher waren sie immer im Harz, dieses Mal gehen sie den Gendarmenpfad. Benjamin ist selbstständiger Podcaster und macht sich sofort auf die Suche nach brennbarem Holz, dass er danach klein sägt, "wenn andere sagen, es reicht, haben wir erst die Hälfte an Feuerholz", sagt er und grinst zufrieden.

Sascha hat seinen Hund dabei, der sich sichtbar über die Natur freut und sich austoben kann. Die beiden kommen aus Köln und er gibt Coachings für Führungskräfte. Im kommenden Jahr wird er mit seiner Frau ein Sabbatical Jahr machen und mit ihr die Welt bereisen. An Wandertouren habe er schon immer Spaß, sagt er, schlüpft in seine Flip-Flops und geht mit dem Hund Richtung Wasser.

Der Dritte im Bunde ist Chris, er ist Lackierer und ein echter Outdoor-Experte. Er zeigt mir, wie das Lagerfeuer mit einem Feuerstein angeht und hat in Wachs eingelegte Wattepads dabei, falls es nicht funktioniert.

Zurück auf der Ochensinsel. Von der Küste aus führen Trampelpfade zu drei Sheltern. Zwei Shelter stehen im Kreis nebeneinander, geschützt von einem großen Baum mit einer Feuerstelle in der Mitte. Der dritte Shelter steht etwas abseits davon, mit freiem Blick auf die kleine Ochseninsel, aber auch weniger windgeschützt. Die Wahl fällt auf den Alleinstehenden in der Hoffnung, am nächsten Morgen einen schöneren Blick zu bekommen.
 

"Unten" pfeift der Wind von der Ostsee über die Insel und verschlingt die Wärme der Sonne. Hinter den Sheltern führt ein kleiner Weg durch den Wald nach oben auf die Insel. Dort angekommen liegt ein großes Feld, der Wind ist hier nicht zu spüren. In der Sonne ist es sogar warm. Nachdem die kalten Klamotten im Wind die Körpertemperatur herabsenken, fühlt sich die Sonne für einen Moment an wie im Sommerurlaub am Strand. Ich bleibe für ein paar Minuten in der Sonne stehen und spüre, wie sie mir Energie gibt. Der Weg führt einmal um das Feld entlang der Klippen, Holnis ist zu erkennen, Glücksburg und auch das Eingangstor Flensburgs am Horizont.

Es wirkt, als sei hier lange niemand gewesen, aber trotzdem ist die Insel in einem guten Zustand. Kein Müll fliegt rum und keine Spur von Beschädigungen an Bäumen und Feldern. 

 

Mit Einbruch der Dunkelheit verschwindet auch die wärmende Sonne. Höchste Zeit, die zweite lange Hose und den zweiten Pullover anziehen. 

 

Die Regenjacke ist noch nicht ganz trocken - ich ziehe sie dennoch über, in der Hoffnung, dass sie von der Körperwärme trocknet. Der Versuch ein Feuer zu entzünden scheitert - der Wind ist zu stark. 

 

Die Wahl fällt auf den Schlafsack am hinteren Ende des Shelters. Im Shelter selbst ist es zwar windgeschützt, dennoch übertönt der Wind die Wellen, die ans Ufer schlagen.

 

Nach vielen Einschlafversuchen gelingt es mir anscheinend erfolgreich. Als ich die Augen das nächste Mal aufmache um auf die Uhr zu schauen steht dort 3.17 Uhr. Der Wind und die Kälte sorgen fürs Wachwerden im Abstand von zwei Stunden, so fühlt es sich an. Nach längerem Schlaf ist es 9.30 Uhr und schon lange hell, doch von Sonnenschein keine Spur.

Der Himmel ist bewölkt und der Blick aufs Wasser verspricht nichts Gutes. So kommt es auch. Die letzte Etappe nach Flensburg ist mühsam, die Wellen höher und härter als die der vergangenen Tage. Doch nach zwei Stunden ist es geschafft. Wieder klitschnass, wieder zittrige Beine und zwei neue Blasen an der rechten Hand. Insgesamt sind es schon neun an beiden und meine Hände sind wie eingefroren. Doch die Erleichterung und das Gefühl des Erfolgs lassen jedoch die Erschöpfung nach drei Tagen auf der Ostsee verschwinden.

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