Unterwegs auf dem Dempster Highway in Kanada

erstellt am: 27. 11. 2015 um 9:36 Uhr

IMG_9960-1024x683Seit einigen Jahren sind Annika und Roberto nun mit ihren Rädern rund um die Welt unterwegs. Heute nehmen sie uns wieder ein Stückchen mit und berichten uns von ihren Erlebnissen auf dem Dempster Highway in Kanada. Viel Spaß beim Lesen! Text und Fotos von Annika Wachter: Im hohen Norden Kanadas In Nordkanada ist nicht viel los. Manchmal kommt nur ein Auto in der Stunde, dann auch mal gar keines. Selten gibt es Klos mit Wasserspülung und noch seltener Handyempfang. Dafür gibt es in jedem Dorf und manchmal auch einfach so im Wald eine gute alte Telefonzelle. DSCN9555Wir haben beschlossen, ganz hinauf in den Norden zu radeln. Entlang des Dempster Highways, der die einzige Straße Kanadas ist, die über den Polarkreis führt und ganzjährig befahrbar ist. Der Dempster ist 740 Kilometer lang und führt hinauf nach Inuvik am 68. Breitengrad. Für den Weg haben wir uns mit drei weiteren Radlerinnen zusammengetan: Martine aus Quèbec, Kanada sowie Luzia und Denise aus Deutschland. Auf dem Dempster sollen nämlich einige Schwarzbären und Grizzlies leben, die Radler eher als Essen auf Rädern kennen. Die meisten Bären halten sich von Menschen fern, doch diejenigen, die in ihrem Leben Menschengeruch mit leichter Beute in Packtaschen in Verbindung gebracht haben, die wollen wir lieber meiden. Und das geht am besten in einer großen Gruppe. Ein Riesentier mit zehn Armen, zehn Rädern und fünf Köpfen macht eben Eindruck. Ziemlich schnell entwickelt sich aus der Zweckgemeinschaft eine harmonische Gruppe und wir geben gut aufeinander acht. Die ersten Tage laufen ganz gut. Der Schotter ist in super Zustand, die Hügel machbar und die Bären außer Sicht. Wir haben uns allerdings beim Proviant verrechnet und müssen mit viel zu kleinen Portionen zurecht kommen, was nicht gerade zu Luftsprüngen führt. DSCN9640Bald zwingt uns der Regen in die Knie. Wir harren zwei Nächte in der Kochhütte eines kleinen Staatscampingplatzes aus, weil keiner Lust hat, die Zelte im Regen aufzustellen. Drinnen gibt es einen Ofen und wir teilen die Hütte mit zwei Geologinnen, zwei Motorradfahrern, einer Ornithologin, fünftausend Mücken (gegen Ende des Aufenthaltes nur noch etwa viertausend) und einer Feldmaus. Die (frischen!) Bärenspuren auf dem Parkplatz ignorieren wir einfach. Nach 72 Stunden Regen gleicht die Einfahrt eher einem See. Wir wagen uns erst raus als wir ganz sicher sind, dass der Regen vorbei ist. Durch die Zwangspause sind die täglichen Rationen noch weiter geschrumpft, aber ein nettes Paar im Wohnwagen hat uns großzügigerweise ihre Notfallration hinterlassen, was die allgemeine Laune extrem hebt. DSCN9710Von der Klebequalität des „Straßenbelages“ nach einem ordentlichen Schauer haben wir viel gehört. Deshalb auch die Regenpause. Nicht nur weil wir aus Zucker gemacht sind. Bis wir den matschigsten Teil erreichen ist die obere Kruste schon getrocknet. Ein bisschen wie 24 Stunden alte Kuhfladen: knusprig außenrum und cremig von innen. Genauso sieht unsere Straße aus. Wir radeln in den tiefen Reifenspuren der LKWs im Kieselmatsch. Wir müssen ganz gut kämpfen und machen trotzdem kaum mehr als 10 km/h. Immerhin sind wir im Land der Mitternachtssonne und wann Feierabend ist, bestimmt hier oben nicht die Sonne, sondern wir selbst. So manche Nacht kriechen wir erst nach Mitternacht in die Zelte. Die Landschaft um uns herum ist es, die uns im Bann hält. Wo wir anfangs durch borealen Nadelwald mit ein paar Birken gefahren sind, haben wir bald die Tundra erreicht. Ein großer Teil des Dempsters führt uns durch Beringia, einen ganz besonderen Teil Nordamerikas. Beringia ist eine Region, in der es so trocken ist, dass während der Eiszeit kein oder kaum Schnee gefallen ist. Folglich blieb das ganze Tal schnee- und eisfrei und sieht heute noch genauso aus wie vor der Eiszeit (von der kleinen Schotterstraße natürlich abgesehen). Das muss man sich mal vorstellen. DSCN9667Wenn ich nicht auf den rutschigen Schotter vor meinem Rad starre, blicke ich in die Ferne und halte Ausschau nach wilden Tieren. Wir entdecken eine Elchkuh, zwei Adler und jede Menge Eichhörnchen und Hasen, doch von Bären und Karibus ist keine Spur. In Eagle Plains haben wie die Hälfte geschafft. 369 Kilometer. Wir feiern mit Hamburgern statt gefriergetrocknetem Tütenessen. Beim Campen müssen wir immer gut aufpassen, dass nichts mit Geruch in die Nähe unserer Zelte kommt. Das heißt, wir essen mindestens 30 Meter windabwärts vom Zelt entfernt und bunkern unser Essen plus die Hygienetasche wiederum einige Meter von dieser Stelle entfernt. Außerdem waschen wir den Geruch von Händen und Gesicht und sind vorsichtig, dass kein Krümel oder Tropfen auf der Kleidung landet. Und es klappt: Keinen einzigen Bären locken wir an. DSCN9701In Eagle Plains wohnen acht Menschen, die allesamt im Restaurant / Hotel / Tankstelle / Zeltplatz / Bar arbeiten. Und hier genießen wir unsere erste Dusche! Das war auch bitter nötig. Die Flüsse hier oben sind ziemlich eisig. Wettermäßig ist von allem etwas dabei. Oft sind wir tagsüber in Shirts und Shorts unterwegs, aber nachts ist es manchmal nur knapp über dem Gefrierpunkt. Wir haben ziemlich starke Winde, fette Schauer und ein ganz beeindruckendes Gewitter mit Donnern, die von überall zugleich zu kommen scheinen. Die Straße bessert sich kurzfristig. Matsch haben wir nur noch an einem Tag, aber wir radeln viel auf frischem, tiefem Schotter. Da der Dempster über Permafrostboden führt, sinkt die Straße permanent ein und muss mit neuem Schotter bedeckt werden. Über diesen wird eine Schicht Kalzium gestreut, die dann bewässert wird, was auf lange Sicht zu einem zuverlässigen Belag führt, aber in den ersten Wochen nur klebrigen, rutschigen Kieselmatsch erzeugt. DSCN9774Ganze zwei Dörfer passieren wir auf dem Weg nach Inuvik: Fort McPherson (wo es zwei Läden und eine Zeltfabrik gibt) und Tsiigehtchic, das mit seinen 150 Einwohnern für Trockenfisch bekannt ist. Den Polarkreis überqueren wir im windigen Niesel. Daher halten wir uns auch nicht länger auf als nötig. Drei Mal überqueren wir auf dem Dempster die kontinentale Wasserscheide, es geht konstant auf und ab und der letzte hügelige Tag schlaucht mich so sehr, dass ich nach neun Stunden im Sattel nur noch schlafen will.   DSCN9480   Die letzten Tage sind um einiges einfacher. Es geht nun wieder durch borealen Nadelwald (das Mackenzie Delta ist nicht mehr fern) und die vielen Sümpfe und Seen locken Mücken und Bremsen an. Wir nehmen nur im Zelt die Mückennetze ab. Am 13. Tag (inklusive zwei Ruhetagen) erreichen wir Inuvik. „Das Ende des Dempsters“ steht auf dem Willkommens-Schild. Die kleine Stadt ist bekannt für seine Iglu Kirche und seine freundlichen, sehr abwechslungsreichen Einwohner. Wir fühlen uns sofort wohl. Eine nette Einwohnerin Inuviks empfiehlt uns die Mülldeponie, falls wir doch noch Bären sehen wollen. „Gestern waren dreizehn dort!“. AngekommenDer Dempster war ein sehr anstrengendes Abenteuer, aber der wilde und einsame Norden Kanadas ist einfach ein ganz besonderer Ort. Und Inuvik und seine Einwohner waren jeden Tritt in die Pedale wert.




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