Kletterschulung bei Unterwegs, die Praxis

erstellt am: 29. 05. 2012 um 12:55 Uhr

Nachdem die Theorieschulung schon so spannend war, konnte ich es kaum erwarten, einiges aus der Schulung in die Praxis umzusetzen. Meinen Kollegen ging es ähnlich. So haben wir es dann auch gerne in Kauf genommen, an einem Sonntag den Wecker zu stellen. Ja, ihr habt richtig gelesen! Um 9 Uhr war Treffpunkt am Kletterbunker Monte Pinnow in Sande. Auf der Autofahrt dorthin fallen ein paar Regentropfen aus dem verhangenen Himmel und ich denke: Muss das denn sein? Hoffentlich lässt Petrus das gleich. Ich steige aus dem Auto und sehe den schiefen Kletterturm vor mir aufragen. Ein wenig mulmig wird mir, und das liegt nicht daran, dass ich als sonntäglicher Morgenmuffel eigentlich noch im Bett liegen sollte. Ganz schön hoch, der Bunker… Der DAV Wilhelmshaven hat hier viel Arbeit und Zeit hineingesteckt und den Bunker zur größten Kletteranlage in Niedersachsen gemacht. Die bekletterbare Fläche beträgt 1379 qm,  es gibt inzwischen fast 60 Kletterrouten vom 2. bis zum 10. Schwierigkeitsgrad sowie zusätzlich definierte Boulder. Die Neigung des Bunker beträgt 18 Grad und die höchste Stelle ist 18 Meter. Die Höhe ist auch das, was mir ins Auge sticht und mir Respekt einflößt.   Jan macht sich fertig und beginnt mit dem Vorstieg. Und ratzfatz ist er den halben und bald schon den ganzen Bunker hochgeklettert. Bei ihm sieht es super leicht und entspannt aus.
Ich schaue in die Gesichter meiner Kollegen und sehe, dass auch sie etwas bleich geworden sind. Denken sie auch: “Da soll ich hoch? Niemals!”??? Kletterschulung der Unterwegs Mitarbeiter Wilhelmshaven Aber: dafür sind wir ja nun hier und alle früh aufgestanden. Jens schreitet mutig zur Tat und meldet sich als erster zum Aufstieg. Klettergurt anlegen, das Seil mit gestecktem doppeltem Achter befestigen und los gehts. Nach den ersten Metern soll er erst einmal das Ablassen üben. Also Beine durchstrecken und nach hinten lehnen. Das scheint ein komisches Gefühl zu sein und ihn einige Überwindung zu kosten. “Immer schön dem Seil folgen, ganz entspannt”, tönt es von Jan. Nachdem das klappt, klettert Jens dann auch weiter nach oben. Das ist dann auch der Ablauf für uns alle: erst einmal testen, wie das mit dem Abseilen/Ablassen klappt und dann gehts los und aufwärts. Immer nur so weit, wie der Kletterer möchte und sich wohl fühlt.
Als ich dran bin, muss ich feststellen, dass ich doch einen etwas erhöhten Puls habe als normal. Beruhigend finde ich, dass Jan und Sonja so entspannt beim Sichern sind und mir vermitteln, dass ich mich voll auf sie verlassen kann. Nach den ersten Metern am Bunker soll auch ich mich am Abseilen versuchen. Das Durchdrücken der Beine fällt mir schon ein wenig schwer, aber nachdem ich mich das erste Mal nach hinten in den Klettergurt und das Seil gelehnt habe, geht es eigentlich. Also mache ich mich auf den Weg nach oben. Ungefähr auf der Hälfte erwischt mich die berühmte “Nähmaschine“, ein unkrontrolliertes Zittern der Muskeln in der rechten Wade. Nicht, weil ich keine Kraft mehr habe, sondern eher weil ich psychisch etwas überfordert bin. Kräftemäßig geht das alles, aber ich will unbedingt bis nach oben, und plötzlich überkommen mich Zweifel, ob ich dieser neuen Situation wirklich gewachsen bin. Jan ruft hoch: “Einfach mal die Ferse nach unten drücken!”. Das mache ich und es wird ein bisschen besser. Schöner wäre es, wenn es ganz aufhören würde…. denke ich. Mein zweiter Gedanke: das schaffst du jetzt! Und weiter gehts. Nun wird auch meine Frage, wieso Kletterschuhe eigentlich immer so klein müssen, beantwortet. Meine alten Laufschuhe, die beim Laufen wunderbar viel Platz vorne haben, sind am Bunker nun doch nicht das richtige Schuhwerk. Ich bekomme kein Gespür für die kleinen Öffnungen oder die Vorsprünge im Mauerwerk und habe das Gefühl, dass ich nicht so wirklich sicher stehe. Egal, nun habe ich es fast bis nach oben geschafft, der Rest geht auch noch! Und dann bin ich oben, drehe mich um und schaue über das weite flache Land Frieslands. Hammer Aussicht! Runtergucken kostet mich dann doch ziemliche Überwindung. Jans Tipp: immer die Leute angucken und nicht einfach bis auf den Boden. Das hilft. Und nun: “einfach” nach hinten fallen lassen, Beine durchstrecken und beim Abseilen locker dem Seil folgen…ja, nee, is klar! Als ich unten ankomme, habe ich ganz schön weiche Knie, bin aber stolz wie Oskar! Und: Respekt, dass Hauke den Bunker umarmt und sozusagen ohne festen Handgriff ganz oben steht. Sein lockerer Spruch: “Bin ich schon rum?”
Weil es regnet und auch, weil wir alle ein bisschen Entspannung brauchen, schauen wir uns den Bunker von innen an. Jans Vorwarnung, dass es ein komisches Gefühl und dass uns vielleicht schwindelig wird, finde ich erst etwas merkwürdig, aber als ich das Innere betrete, wird mir doch etwas komisch. Drinnen ist eben auch alles um 18 Grad geneigt. Wände und Boden sind schief und man hat keinen wirklichen Anhaltspunkt, was denn nun wirklich senkrecht ist. Wir müssen uns wirklich erst einmal an alles gewöhnen. Einen kleinen Eindruck könnt ihr vielleicht vom dem folgenden Foto und von unserem Video auf YouTube gewinnen, auch wenn dort die Ausleuchtung nicht 100%ig ist. Nach dem Ausflug in die schräge Welt des Bunker-Inneren (ich frage mich bis heute, wie man da drin dann auch noch klettern kann, ohne dass einem total schwindelig wird) und bei jetzt wieder trockenem Wetter, möchte ich jetzt noch wissen, wie es ist, wenn man quasi am anderen Ende des Seils steht, also sichert. Jans Freundin Sonja vertraut sich mir an, obwohl ich das noch nie gemacht habe. Das finde ich klasse! Und dann geht es los. Immer die Augen auf den Kletterer gerichtet, und bei der HMS Sicherung immer eine Hand am Bremsseil. Ganz schön anstrengend! Das Gefühl der Verantwortung ist ganz schön hoch und ich für meinen Teil lasse Sonja keine Sekunde aus den Augen, bis sie wieder festen Boden unter den Füßen hat. Hinterher merke ich, wie die Anspannung von mir abfällt und dass ich doch ziemlich verkrampft war. Mir kommt die Frage in den Sinn, wie lange man das machen muss, wenn man so entspannt und locker da unten stehen will wie Jan und Sonja, wenn sie andere sichern… Naja, ich werde den Muskelkater in den nächsten Tagen noch spüren. Zum Bouldern geht es dann auf die andere Seite des Bunkers, die mit Überhang. Jan schwingt sich in die Wand, auch das sieht leicht, locker und elegant aus. Hauke und Torsten müssen feststellen: es sieht nur so aus, die Anfänge sind extrem anstrengend. Aber: Spaß machts!
Auf dem Klettersteig können wir dann noch das Klettersteigset ausprobieren. Auch hier empfehlen sich Konzentration, Schuhe, die griffig sind, und ein Partner, der ansagt, wo man seine Füße am besten platzieren kann. Die Stellen kann man manchmal von oben wirklich schlecht sehen. Jens und Hauke finden: Super spannend!
Es waren wirklich tolle Stunden da draußen. Hier ein paar Zitate der Teilnehmer: Petra: Der Spaß für mich war die Gemeinschaft, das Respektieren von Grenzen und das Anfeuern! Außerdem habe ich über mich gelernt, dass ich mich ruhig fallen lassen kann, denn ich werde gehalten. Jens: Mich hat überrascht, dass man sich mit wenig Kraftaufwand selbst sichern kann. Generell hätte ich nicht erwartet, wie wenig Kraft man beim Klettern aufwenden muss. Ich werde auf jeden Fall noch einmal klettern gehen. Als nächstes wird ein Klettergurt und Co angeschafft. Floriana: Also, über mich habe ich gelernt, dass ich definitiv nicht so fürs Klettern gemacht bin…. zumindest nicht in solchen Höhen. Die Begehung des Bunkers innen war doch sehr lustig aufgrund des nicht vorhandenen Gleichgewichtssinnes. Hauke: Am meisten Spaß hat mir definitiv das Bouldern gemacht, da ich mich da komplett auf das klettern an sich konzentrieren konnte. Aber auch den Klettersteig fand ich super. Mein Fazit: Es war toll, in dieser Gruppe die ersten Klettererfahrungen zu sammeln. Beim Klettern habe ich viel über mich gelernt, meine Grenzen erkannt, sie ausgetestet und akzeptiert. Die Verantwortung, die man für denjenigen hat, den man sichert, ist groß, es ist aber auch ein wirklich gutes Gefühl, dass mir jemand so sehr vertraut. Ganz viele Fotos findet ihr hier auf unserer Facebook-Seite. Weitere Videos werden in Kürze auf unserem YouTube-Kanal veröffentlicht!




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Ihr Kommentar:




Winfried | am 4. Juni 2012 um 12:11 Uhr

Toller Bericht! Kommen Erinnerungen ans ” erste mal ” auf 🙂 Ein toller Sport! Weiterhin viel Spaß und noch viele so persönliche Eindrücke und Erlebnisse hier in Blog.




Ance | am 4. Juni 2012 um 14:58 Uhr

Danke für das nette Kompliment! Es war auch wirklich eine tolle Schulung, Theorie, aber vor allem natürlich die Praxis. Da musste der Erfahrungsbericht dann auch gut werden 😉
Ance



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