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Die Runde um Als

von Jörg Knorr

Tipps

Die Runde um Als

Es sollte eine SUP-Tour werden, bei der sich im besten Fall nach drei oder vier Tagen meine Kielwasserlinie um die dänische Insel Als schließen sollte. Dabei war ich auf die Unterstützung oder zumindest auf wenig Gegenwehr des Windes angewiesen. Etwas 90 Kilometer galt es, zurückzulegen. Nicht gerade eine Spazierfahrt, wenn man bedenkt, dass als zusätzliches Camping-Gepäck etwas über 20 Kilogramm transportiert werden mussten. 

Synergien an Land und auf dem Wasser

Anfang August: Mein dreirädrige Ape Classic ist speziell bei SUP-Projekten zu einem treuen Begleiter bei Törns im deutsch-dänischen Grenzraum geworden. In Sønderborg auf der Festlandseite, gegenüber des imposanten Schlosses, gibt es einen kleinen gebührenfreien Parkplatz, der direkt an einen Sandstrand grenzt. Ein idealer Startpunkt. Ganz in der Nähe steht eine zweieinhalb Meter hohe Skulptur, die die Sonnenstrahlen goldschimmernd reflektiert. ?Das letzte Mal war die noch nicht da?, erinnere ich mich und laufe neugierig die paar Schritte rüber zum Kunstobjekt, das sich perfekt in die gelb blühende Blumenwiese einfügt. ?Synergi? heißt das Kunstwerk und stammt von der dänischen Künstlerin Viva Linnemann. ?Synergetische Effekte täten mir in den nächsten drei Tagen auch ganz gut?, grüble ich gut gelaunt und lasse meinen Blick über die Skulptur auf das leicht gekräuselte Wasser der Ostsee schweifen, über der eine Mischung aus blau, weiß und grau zumindest ein reduziertes Sonnenbrand-Risiko verspricht. Den Wind als synergetisch mitwirkenden Partner an meiner Seite zu haben, wäre jedenfalls nicht schlecht. Mal sehen, wie mich Neptun am südlichen Ausgang des Als Sunds empfangen wird. Das Gepäck ist in zwei wasserdichten Taschen verpackt. Die größere wird vorn, die kleinere hinten auf dem Board verzurrt.

Sønderborg lasse ich schnell hinter mir und paddle auf Kegnæs, eine Halbinsel, die das südliche Ende von Als markiert, zu. 

Ein ganz leichter Wind weht aus nordöstlicher Richtung. Keine größere Herausforderung. Aber sobald ich aufhöre zu paddeln, dauert es nur einen kurzen Moment und ich treibe zurück. Also in die Hände spucken und Strecke machen. Nach fast zehn Kilometern brauchen Schultern und Rücken eine Pause. Am Campingplatz Sønderby Strand Camping lande ich an einem schmalen Strand. Knapp zwei Stunden stehend paddeln schlauchen doch etwas mehr als ich dachte. Auf dem Rücken liegend genieße ich die warme Sommerluft. ?Wo willst du damit hin?, fragt mich ein neugieriger Junge, der mit seiner Mutter vorbei kommt und auf mein bepacktes Board deutet. ?Einmal um die Insel?, antworte ich und ergänze schnell: ?Wenn alles gut läuft.? Mutter und Sohn sehen mich etwas ungläubig an. ?Mein Vater hat auch so ein Brett. Der schafft aber nur ein kleines Stück. Ich glaube, du musst noch ganz schön weit.? Immerhin kann sich der Lütte vorstellen, dass der Typ am Strand etwas weiter kommen könnte, als sein Vater. Ich nehme es als Motivation, die den anfänglichen Synergie-Gedanken wieder in meinem Hinterkopf aufploppen lässt. ?Ja, ich weiß. Aber vielleicht klappt es. Grüß deinen Vater von mir.? Als die beiden weiter trödeln blickt sich der Kleine noch mehrmals um und winkt mir zu.

Erste Reihe, bester Blick

Nach 32 Kilometern bin ich mit meiner Tagesetappe mehr als zufrieden. Das GPS-Gerät zeigt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,5 Kilometern pro Stunde an. Darüber bin ich selbst etwas überrascht. Positiv natürlich. Mit zusätzlichem Gepäck ist das kein schlechter Schnitt. Ob es morgen mit gleichem Speed weiter gehen kann ist allerdings fraglich. Die Strecke hat doch etwas mehr Energie gekostet, als gedacht. Blommeskobbel heißt mein Nachtquartier zwischen Mommark und Fynshav. Der sogenannte Primitive Übernachtungsplatz, an dem man für maximal zwei Nächte ohne spezielle Genehmigung sein Zelt aufbauen darf, könnte kaum schöner liegen. Der Wald reicht bis an die Uferlinie, die von einer leicht erhöhten Abbruchkante gebildet wird. Beim Aufbau meiner winzigen Hütte merke ich, dass Rücken und Schultern nach Regeneration schreien. Nahrung muss her. Über mir säuselt der Wind durch das Buchenlaub, unter mir liegt das Board sicher zwischen Schilfhalmen getarnt und vor mir strahlt, wie auf eine unendlich große Panorama-Leinwand projiziert, der blaue Abendhimmel. Unter solchen Bedingungen sein Abendbrot zu kochen lässt die Seele große Sprünge machen. Als schließlich noch ein Schweinswal direkt in meinem Sichtfeld seine Rückenflosse aus dem Wasser streckt, bin ich ziemlich überwältigt und muss mich kneifen, um sicher zu sein, dass ich nicht träume. Würde man für solche Open-Air-Kino-Plätze Eintritt zahlen müssen, wäre ich wohl in der teuersten Sitzkategorie gelandet. Ein Camp mit Blicken wie diesen, auch ohne Popcorn und Cola, ist wie ein Sechser im Lotto, aber - viel einfacher zu bekommen, wenn man nur will.

Es kommt oft anders als man denkt

Früh auf den Beinen belade ich schon kurz vor acht Uhr das Board. Phantastisch ruhig und vielversprechend gleite ich einige hundert Meter parallel zum Ufer weiter nach Nordwesten. Hinter Fynshav erblicke ich den markanten Leuchtturm Taksensand Fyr. Auf einem soliden aus Feldsteinen gemauerten Sockel steht der weiße Turm, den man bereits 1905 in Betrieb genommen hat, direkt an der Uferkante. Vom leicht ansteigenden bewaldeten Ufer erreicht man den Leuchtturm über eine sieben Meter hohe Stahlbrücke. Das Weiß des 19 Meter hohen Bauwerkes setzt sich in einem perfekten Kontrast vom satten Grün des dahinter aufsteigenden Waldstreifens ab.

Da der Strand jetzt steiniger wird, muss ich mich für die erste Pause nach einem ankertauglichen Stein umsehen, der es erlaubt, mein empfindliches beladenes Hard Board in ausreichend Wassertiefe zu parken. Andernfalls müsste ich es abladen, um das Brett an Land zu tragen. Als Ankerleine dient ein Gummiseil, das mein kleines Gefährt sicherer als ich dachte in Position hält. Endlich wieder den Rücken durchstrecken und ausruhen. Mit einem Auge blinzle ich dabei in kurzen Abständen Richtung Wasser. Würde sich mein Board selbstständig machen, weil der provisorische Anker nicht hält, wäre das blöd und würde unter Umständen eine unfreiwillige Schwimmeinlage erfordern. 

Zum Nachmittag soll es eventuell noch auffrischen. Im ungünstigsten Fall aus Westen. Das passt nicht zur heute noch geplanten Umrundung des Nordspitze von Als. ?Du bist früh dran, das wird schon klappen, los jetzt?, treibe ich mich nach einer Viertelstunde Erholung in einem Selbstgespräch an. In knietiefem Wasser schwinge ich mich zurück auf meine Paddelplattform und versuche, das Tempo zu halten, um möglichst zügig die anstehende Nordkurve zu schaffen. Je weiter ich komme desto unsicherer werde ich, ob mein Plan aufgeht. Der Wind scheint zu drehen. Ganz allmählich glaube ich nun auch ein leichtes Aufbrisen wahrzunehmen. Es kommt mir vor, als wollte der Wind mir auf den Zahn fühlen wollen. Noch mal ein bisschen mehr Gas geben kann also nicht schaden. ?Das halte ich auf Dauer nicht durch?, muss ich mir wohl oder übel eingestehen. Um nicht weiter als gewollt von der Küste abgetrieben zu werden, muss ich mich jetzt immer mehr auf rechtsseitige Paddelschläge konzentrieren. Die wenigen Linksschläge zwischendurch bringen kaum Entlastung, was die ungewohnt fordernde einseitige Kraftanstrengung betrifft. So werde ich es kaum um das Nordende schaffen. Nur dreieinhalb Kilometer vor dem nördlichsten Punkt von Als steuere ich den Campingplatz Lavensby Strand an. An Land hole ich einen aktuellen Wettergericht ein: Weiter auffrischender Wind aus Westnordwest. Morgen unverändert. Auf dem Wasser würden noch 33 Kilometer vor mir liegen. Gut ein Drittel davon gegen den Wind kämpfen zu müssen ist keine Option. Das war?s.

Weiter per Anhalter

So schade es auch ist, dass ich hier stecken bleibe. Wie ein Segel auf dem Brett zu stehen und gegen den Wind arbeiten zu müssen mag einen Versuch wert sein. Die Erfolgsaussichten dieser Schinderei scheinen mir allerdings wenig zielführend. Es ist noch früh am Tag. Auch über Land sind es fast 30 Kilometer zurück nach Sønderborg. Ich hoffe auf die Hilfsbereitschaft der Autofahrer und werde versuchen, meine Ape hierher zu holen. Das Board und meine Ausrüstung deponiere ich hinter einem Schuppen und mache mich hoch motiviert auf die Socken. Nur wenige Fahrzeuge sind unterwegs. Die meisten kommen mir entgegen. Mit jedem Auto, das in meine Richtung fährt ohne zu halten, schwindet die Hoffnung, dass sich eine Mitfahrgelegenheit finden wird. Meine Flipflops taugen nicht für lange Fußmärsche. Erst nach drei Kilometern erreiche ich die Hauptstraße und bleibe nun direkt in Fahrtrichtung Sønderborg stehen. Und siehe da, das nächste Auto hält. Der freundliche Landsmann aus Schleswig-Holstein kommt gerade vom Campingplatz und will nach Hause, um den Briefkasten zu leeren. Das Glück springt einen nicht immer an, aber wer Geduld hat, kann zumindest weiter hoffen. Mir dessen nun sicher steige ich ein und bekomme in der nächsten halben Stunde das Gefühl, dass sich mein Chauffeur durch meine Reisegeschichte ganz gut unterhalten fühlt. Die Zeit vergeht wie in Zeitraffer und ich bin fast erschrocken, als Klaus mit einem Mal hält und sich für die kurzweilige Unterhaltung bedankt. ?Ich habe zu danken?, verabschiede ich mich und winke Klaus zu, als er davon fährt.

Auf drei Rädern geht es wieder zurück zum Campingplatz. Bestens gelaunt und mit dem festen Vorsatz im Kopf, das fehlende Stück ein anderes Mal zu paddeln, tuckere ich gemütlich ein weiteres Mal nach Sønderborg, mache noch mal halt, um ein Hafen-Foto zu machen und streife mit einem Blick aus dem Augenwinkel eher unbewusst zufällig wieder die Skulptur ?Synergi? von Viva Linnemann. Von Synergie auf dem Wasser war heute zum Schluss zumindest aus meiner Perspektive nicht mehr viel zu spüren. An Land lief es unterm Strich aber doch erfreulich gut. Zum Schluss zählt die Summe des Erlebten. Insofern habe ich das verdammt gute Gefühl, dass das Entwickeln von Synergien ganz stark daran gekoppelt ist, wie entscheidungsoffen und neugierig man sich mit seiner Umwelt auseinandersetzt. Vielleicht irre ich mich. Aber auf dem Wasser habe ich oft das Gefühl, das für solche Prozessee eine viel größere Spielwiese zur Verfügung steht.

Infos

Gewässer / Wetter

Das Ostseerevier der dänischen Insel Als bietet viel. Offene Ostsee auf der Nordostseite, einen geschützteren Bereich im Als Sund und die schöne Hafenstadt Sønderborg. Mit dem SUP Board ist man allerdings auf mehr oder weniger ruhiges Wetter bzw. Rückenwind angewiesen, um längere Strecken zu paddeln oder eine Inselumrundung zu machen. Daher ist optimales Wetter Grundvoraussetzung, um eine ungefährliche Tour an dieser Küste zu machen. Gerade ablandiger Wind darf nicht unterschätzt werden. Entfernt man sich dabei zu weit vom Ufer, fehlt zum Schluss im schlimmsten Fall die Kraft, um wieder sicher an Land zu kommen. Ganz wichtig daher: aktuelle Wettervorhersagen beachten und ggf. einen Abholdienst organisieren.

Ausrüstung

Neben einem tourentauglichen Board ist gerade außerhalb von sommerlichen Schönwetter-Perioden richtige zum Wetter passende Bekleidung wichtig. Der Autor war mit einem 12?6? Touren Hard Board unterwegs. Für den Notfall kann ein wasserdicht verpacktes Handy genauso hilfreich sein, wie eine Schwimmhilfe (z.B. Schwimmweste oder Resttube). Spätestens unter kritischen Bedingungen wird das Anlegen einer Leash als Verbindung zwischen Paddler und Board empfohlen.

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