Gastbeitrag: Die Welt per Rad

erstellt am: 21. 06. 2013 um 10:25 Uhr

Wüste - Iran

Wüste – Iran

Bei dem folgenden Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag von Annika (26) und ihrer spannenden Radreise um die Welt. Gemeinsam mit ihrem Partner Roberto (29) machte sie sich bereits 2011 auf den Weg. Vollgepackt, ohne viel Erfahrung, auf wenig Luxus vorbereitet und hoch motiviert erradeln sie seitdem die Welt. Warum die beiden diese Entscheidung nicht bereut haben und was sie auf ihrer Reise so alles erleben, erfahrt ihr in dem folgenden Blogbeitrag. Viel Spaß beim Lesen!       Text / Fotos: Annika Wachter – zurzeit unterwegs mit dem Rad um die Welt   Die Welt per Rad Der Schweiß tropft mir von der Nase, das Haar klebt unter dem Helm und meine Schuhe wie Unterschenkel sind von einer dicken gelbbraunen Staubschicht bedeckt. Ich trinke einen weiteren Schluck kaltes Wassers als sich zwei blonde Frauen in meine Richtung bewegen. „Euch habe ich gesehen!“, platzt die kleinere Frau hervor. Sie duftet nach Parfüm und ihre kunstvoll lackierten Zehennägel passen farblich zu ihren Ohrringen. Die beiden Frauen ziehen je einen kleinen Koffer hinter sich her. Ich schäme mich für einen Moment wegen meiner dreckigen Fingernägel und schaue dann nervös zu meinem Partner Roberto, dessen schwarzer Bart vom Staub beige gefärbt wirkt. „Ward das nicht ihr beiden da hinten in den Bergen?“, hakt die größere Frau nach und deutet auf die Straße hinter uns. „Wir sind an euch vorbei gefahren!“ Ich nicke und werfe einen Blick zu dem Kleinbus aus dem nun noch mehr Touristen mit Koffern und Rucksäcken steigen. Viel Verkehr hatte es heute nicht gegeben, aber der eine oder andere Kleinbus war schon dabei. „Wir sind gestern von Oudomxay über den ersten Berg gefahren und haben heute den zweiten in Angriff genommen“, bestätige ich sie und wische mir mit dem Handrücken eine Mischung aus Schweiß und Staub von der Stirn. Die Steigungen am Morgen waren anstrengend und dies war das erste Dorf mit Läden, Restaurants und sogar Obst. „Wir hatten Glück, dass es so bewölkt war.“ Die kleine Frau, die sich als Karen vorstellt, wirft einen flüchtigen Blick auf meine Oberschenkel. „Da oben hätte ich nicht mit euch tauschen wollen“, kichert sie. Mit einer Mischung aus Bewunderung und Mitleid begutachtet sie nun die vollgepackten Räder.   Warum gerade per Rad um die Welt? Karen und ihre Reisegruppe haben in eineinhalb Stunden eine Strecke hinter sich gebracht, für die wir eineinhalb Tage gebraucht haben. Asphalt hatte es nur vereinzelt gegeben und die Anstiege waren steil. Selbst bergab kamen wir auf der holprigen Straße kaum voran. Es war eine Tortur, doch ich war heilfroh, sie auf mich genommen zu haben. Vor Beginn unserer Reise haben Roberto und ich uns überlegt, wie wir uns günstig und langsam – wenn auch nicht zu langsam – fortbewegen können. Pferde sind teuer in der Anschaffung und brauchen neben Schmied und Tierarzt auch besonderes Futter. Kajaks würden uns auf Wasserwege beschränken und Grenzüberquerungen könnten in beiden Fällen zu einem Problem werden. Zu Fuß wären wir zu langsam, per Anhalter und per Bus zu schnell und ein eigenes Gefährt mit Motor konnten wir uns weder in der Anschaffung noch im Unterhalt leisten. Für die Räder entschieden wir uns spontan und haben es seither nie bereut.   Wenig Luxus, aber viel Flexibilität Wir haben beschränktes Gepäck und müssen mit wenig Luxus auskommen, konnten aber dennoch mehr auf den Rädern verstauen, als in einen Trekkingrucksack gepasst hätte. Wir brauchen keine speziellen Kenntnisse, denn Rad fahren konnten wir schon vorher und Kleinigkeiten selbst zu reparieren lernten wir unterwegs. Wir sind weder durch einen Helm mit Plexiglasscheibe noch durch ein Fenster von der Außenwelt abgeschirmt und können selbstständig entscheiden, wann und wo wir Pause machen oder übernachten möchten. Im Gegensatz zu Wanderern können wir unsere Räder bergab rollen lassen und auch mal ein paar Kilos an extra Gepäck mitnehmen, ohne dass sich uns der Rücken gekrümmt hätte. Wir kommen flott genug voran, um auch Wüsten durchqueren zu können, aber langsam genug, um die Landschaft um uns herum wirklich spüren zu können. Die Fernradler sind eine Kultur für sich. Sportfreaks, Hippies, Minimalisten, Familien und Alteingesessene respektieren einander. Routen werden ausgetauscht, Ersatzteile verschenkt und man erkundigt sich nach dem Wohl radelnder Freunde. Jeder scheint von jedem zumindest schon einmal gehört zu haben.  
Familie - Türkei

Kulturen hautnah erleben

Mit allen Sinnen… Mit dem Fahrrad treffen wir Menschen auf dem Weg und schließen Freundschaften. Wir essen landestypisches und günstiges Essen. Wir genießen die Landschaft hautnah. Wir entdecken Dörfer, die uns bei einer Bus-, Zug- oder Flugzeugreise verborgen geblieben wären. Mit der Zeit haben wir eine weitere große Lektion gelernt, die wir beide in unserem Alltagsleben zu Hause vergessen haben: Wir essen, wenn wir wirklich hungrig sind und schlafen, wenn wir wirklich müde sind. Viele Sehenswürdigkeiten bleiben uns mit dem Rad verborgen, denn wir halten uns meist an eine grobe Route und verpassen viele Nationalparks, Ruinen und Tempel die an anderen Straßen liegen.  
Erleben, was anderen verborgen bleibt

Erleben, was anderen verborgen bleibt

Stattdessen erleben wir, was vielen Reisenden verborgen bleibt: die echte Kultur vor Ort. Wir riechen Salz, Tiere und Früchte. Wir hören Kinder, das Meer und traditionelle Musik. Wir sehen kleine Dörfer, Einheimische und ruhige Landstriche. Wir fühlen den Wind, die Hitze und Kälte. Wir schmecken das typische Essen. An Busfahrpläne oder ein Schienennetz müssen wir uns nicht halten. Wir können bei Zeitdruck fest in die Pedalen treten und weit über 100 Kilometer an einem Tag schaffen. Oft radeln wir nur 70 Kilometer oder sogar weniger, quatschen auf dem Wochenmarkt eines Dorfes stundenlang mit neuen Freunden und lernen mehr von der Kultur.     Auf alles gefasst sein… Natürlich hat das Radeln auch seine Schattenseiten. Wir sind den Launen der Natur ausgeliefert und müssen schlechte Vorbereitung mitunter teuer bezahlen. In Kirgisistan haben wir uns ohne Winterjacke und Handschuhe auf einen verschneiten Bergpass von über 3000 Meter Höhe gewagt und haben bei der Abfahrt im Fahrtwind fürchterlich gefroren. In Ungarn hatten wir fast täglich mit platten Reifen zu kämpfen, die sich im strömenden Regen kaum flicken ließen. Von der chinesischen Mauer haben wir nie einen Teil gesehen, obwohl wir uns fast drei Monate lang in China aufhielten. Die Radroute führte einfach nicht daran vorbei und in diesem großen Land hätte ein Umweg mehrere Wochen gedauert. Besonders in Ländern mit kurzen Touristenvisa verbringen wir oft viel Zeit mit Papierkram, Visabeschaffungen und Reparaturen. Statt gemütlich durch die Altstadt zu schlendern oder einen Tee mit einer neugierigen Bauernfamilie zu trinken, müssen wir Kilometer reißen. Drängt die Zeit stark, so halten wir wider Willen die Augen nach einem Anhalter oder Bus offen.    
Baumwollernte - Usbekistan

Baumwollernte – Usbekistan

Was wir dafür jedoch erleben, macht alles wieder mehr als wett. Immer wieder werden wir von freundlichen Bauern, neugierigen Abiturienten und Studenten sowie Marktfrauen angesprochen. Oft beginnen auch wir das Gespräch, indem wir die Einwohner um Hilfe bitten. Wir sind gezwungen, immer wieder anzuhalten, um nach dem Weg, Wasser oder einem Zeltplatz zu fragen. Oft halten wir in kleinen Dörfern, durch die Touristen wie Karen sonst nur mit dem Bus rauschen. Sie konnte nichts tun, als ihre Nase gegen die Fensterscheibe zu pressen und den Kindern zuzuwinken. Wir hingegen erleben das Land um uns herum mit all unseren Sinnen.     Wir machen nur noch 30 Kilometer an diesem Tag. Karen und ihre Freunde schlendern wohl schon längst durch die Altstadt von Luang Prabang, trinken frische Kokosnuss und planen ihre Ausflüge für die kommenden Tage, als wir gerade unser halbfertig aufgestelltes Zelt wieder einpacken. Chang Sock, der Bürgermeister des kleinen Dorfs, will uns kennen lernen und lädt uns zum Übernachten zu sich nach Hause ein. Wir essen gemeinsam Klebreis, duschen uns mit der Schöpfkelle den Schweiß von der Haut, lernen ein paar neue Worte auf Laotisch und zeigen unserem Gastgeber Fotos von zu Hause und unseren Familien. Um nichts in der Welt würde ich die Matratze auf dem Fußboden des Wohnzimmers mit einem Zimmer in Luang Prabang tauschen.




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